Industrie
User-Experience in Industrieanwendungen
User-Interface-Design für Maschinen
Menschzentriertes UX-Design in der industriellen Maschinenbedienung – Effizienz durch Ergonomie und intuitive HMI-Konzepte
In der industriellen Fertigung stehen Unternehmen unter einem stetig wachsenden Innovationsdruck: Produktionsprozesse sollen effizienter, flexibler und fehlerfreier ablaufen. In diesem Kontext rückt ein Thema zunehmend in den Fokus: die Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle (Human-Machine Interface, HMI). Hier zeigt sich, wie entscheidend gutes UX-Design (User Experience Design) nicht nur für die Usability, sondern auch für Produktivität, Sicherheit und Motivation in der Fertigung ist.
Maschinenbedienung ist längst nicht mehr nur ein technisches Thema – sie ist zu einer disziplinübergreifenden Aufgabe geworden, in der Maschinenbau, Informatik, Ergonomie und Design aufeinandertreffen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei der Mensch als Nutzer: Seine Fähigkeiten, Grenzen und Bedürfnisse sollten im Mittelpunkt stehen.
Die Relevanz der User Experience in der industriellen Fertigung
Der Begriff “User Experience” beschreibt die Gesamtheit der Erfahrungen, die ein Nutzer mit einem Produkt oder System macht. In der industriellen Umgebung bezieht sich UX-Design auf die Interaktion von Bedienpersonal mit Maschinen, Anlagen und digitalen Systemen – über Touchscreens, Steuerpulte oder mobile Endgeräte. Dabei geht es nicht nur um Ästhetik oder Bedienkomfort, sondern um die gezielte Optimierung kognitiver und motorischer Abläufe.
Eine gute UX-Strategie kann die Bedienzeit verkürzen, Fehler reduzieren und Einarbeitungsphasen deutlich verkürzen. Studien wie jene von ISO/TR 9241-210 (“Ergonomics of human-system interaction”) zeigen, dass nutzerzentriertes Design messbar zur Prozessoptimierung beiträgt – etwa durch eine Reduktion von Fehlbedienungen um bis zu 50 %.
Human-Machine Interface: Mehr als nur Touchscreens
Das HMI ist der zentrale Berührungspunkt zwischen Mensch und Maschine. Früher bestanden Bedienkonzepte oft aus physischen Schaltern, Knöpfen und analogen Anzeigen. Heute dominieren grafische Benutzeroberflächen, die auf industrietauglichen Touchscreens oder mobilen Geräten visualisiert werden. Doch mit der Digitalisierung steigt auch die Komplexität – und damit das Risiko für Fehlbedienung und Frustration.
Gutes UX-Design im HMI bedeutet deshalb:
Kognitive Entlastung: Informationen müssen übersichtlich, priorisiert und in angemessener Informationsdichte dargestellt werden. Das Prinzip des „Cognitive Load Reduction“ ist hierbei zentral (vgl. Sweller, 1988).
Kontextsensitive Navigation: Nutzer sollten nur das sehen, was in ihrer aktuellen Arbeitssituation relevant ist. Adaptive Interfaces können hier einen Beitrag leisten.
Fehlertoleranz und Rückmeldungen: Eine klare Rückmeldung bei Eingaben, Warnhinweise bei kritischen Aktionen und einfache Möglichkeiten zur Korrektur reduzieren Stress und Fehlerquote.
Konsistenz und Standards: Die Einhaltung von Bedienstandards (z. B. VDI/VDE 3850 oder IEC 60204-1) erhöht die Lernbarkeit und senkt Schulungskosten.
Ergonomie: Der Mensch im Zentrum
Die ergonomische Auslegung von Maschinenbedienkonzepten ist untrennbar mit UX-Design verbunden. Während UX die digitale Interaktion fokussiert, beschäftigt sich die Ergonomie auch mit physischen Aspekten: Greifräume, Blickwinkel, Körperhaltungen, Bedienhöhen und die Beanspruchung durch repetitive Bewegungen.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) betont in ihren Leitlinien, dass ergonomische Gestaltung in der Fertigung nicht nur Arbeitsunfälle reduziert, sondern auch langfristig die Gesundheit des Bedienpersonals schützt. Die Integration ergonomischer Prinzipien in das HMI-Design verbessert also nicht nur die Bedienbarkeit, sondern wirkt präventiv gegen Muskel-Skelett-Erkrankungen – eine der häufigsten Ursachen für Arbeitsausfälle.
Beispiele aus der Praxis zeigen: Durch gezielte ergonomische Optimierung konnten Montagezeiten um bis zu 20 % reduziert und gleichzeitig die Fehlerhäufigkeit halbiert werden (vgl. REFA-Studien zur Prozessoptimierung, 2020).
Vorteile menschzentrierten Designs
- Reduktion von Bedienfehlern
Ein intuitiv bedienbares Interface senkt die Wahrscheinlichkeit menschlicher Fehler. Dies ist besonders in sicherheitskritischen Bereichen wie der Steuerung von Robotiksystemen oder Hochleistungsanlagen relevant. - Schnellere Einarbeitung
Durch selbsterklärende Benutzerführung und konsistente Bedienlogiken reduziert sich der Schulungsaufwand – gerade in Zeiten hoher Fluktuation ein enormer Vorteil. - Steigerung der Prozessgeschwindigkeit
Weniger kognitive Belastung führt zu schnelleren Entscheidungsprozessen und effizienteren Abläufen. - Höhere Mitarbeiterzufriedenheit
Eine stressarme, verständliche Bedienoberfläche erhöht die Motivation, reduziert Frustration und stärkt die Bindung an das Unternehmen. - Wettbewerbsvorteil durch Innovation
Unternehmen, die UX als strategisches Werkzeug nutzen, positionieren sich als Technologieführer – nicht nur bei der Funktion, sondern auch bei der Nutzerfreundlichkeit.
Fazit
Die Auslegung von Maschinenbedienkonzepten profitiert erheblich von gutem UX-Design. In der industriellen Fertigung ist Menschzentriertheit kein „Nice-to-have“, sondern ein Wettbewerbsvorteil, der sich direkt in Effizienz, Sicherheit und Motivation niederschlägt.
Gutes UX-Design ist immer interdisziplinär: Maschinenbauer, Informatiker, Designer, Ergonomieexperten und Anwender müssen zusammenarbeiten, um Systeme zu entwickeln, die nicht nur funktionieren, sondern begeistern. Die Zukunft der industriellen Bedienung liegt in der Kombination aus technischer Exzellenz und menschlicher Intuition.
Quellen
- ISO/TR 9241-210:2019 – Ergonomics of human-system interaction – Human-centred design for interactive systems.
- Sweller, J. (1988). Cognitive load during problem solving: Effects on learning. Cognitive Science.
- VDI/VDE 3850: Gestaltung ergonomischer Benutzeroberflächen in der Automatisierungstechnik.
- DGUV Regelwerk: Arbeitsplatzgestaltung und Ergonomie in der Industrie, www.dguv.de
- REFA-Verbandsstudien zur Prozessoptimierung (2020), www.refa.de
- IEC 60204-1: Safety of machinery – Electrical equipment of machines – Part 1: General requirements.